Absolut. Das ist eine der wichtigsten Fragen im Spannungsfeld zwischen persönlichem Glauben und kirchlicher Organisation. Ellen White hat sich zu beiden Aspekten geäußert, und ihre Aussagen ergeben ein ausgewogenes Bild. Betrachten wir beide Seiten.
### 1. Die Autorität der Generalkonferenz
Ellen White betonte, dass die Generalkonferenz, wenn sie als repräsentative Versammlung der weltweiten Kirche zusammenkommt, die höchste von Gott eingesetzte Autorität auf Erden ist. In Angelegenheiten der kirchlichen Ordnung und Strategie sollte das persönliche Urteil dem der Gesamtgemeinschaft untergeordnet werden.
* **Die Stimme Gottes:** Sie schrieb: "Gott hat verordnet, dass die Vertreter Seiner Gemeinde aus allen Teilen der Erde, wenn sie zu einer Generalkonferenz versammelt sind, Autorität haben sollen." (
9T 260.2). Sie bezeichnete das Urteil dieser Versammlung als "die Stimme Gottes".
* **Gegen private Unabhängigkeit:** "Wenn bei einer Generalkonferenz das Urteil der Brüder, die aus allen Teilen des Feldes versammelt sind, ausgeübt wird, dürfen private Unabhängigkeit und privates Urteil nicht hartnäckig aufrechterhalten, sondern müssen aufgegeben werden." (GW 489).
* **Die wichtige Einschränkung:** Diese hohe Autorität gilt jedoch nicht uneingeschränkt. Sie machte eine entscheidende Unterscheidung, wenn nur eine kleine Gruppe von Leitern im Namen der Generalkonferenz handelt: "Zu Zeiten, als eine kleine Gruppe von Männern, die mit der allgemeinen Leitung des Werkes betraut waren, im Namen der Generalkonferenz versucht hat, unkluge Pläne durchzuführen und Gottes Werk einzuschränken, habe ich gesagt, dass ich die Stimme der Generalkonferenz, die von diesen wenigen Männern vertreten wird, nicht länger als die Stimme Gottes betrachten konnte." (
9T 260.2).
Die Autorität liegt also bei der **repräsentativen Versammlung der Weltkirche**, nicht bei einzelnen Leitern oder kleinen Gremien, die möglicherweise irren können.
### 2. Die Freiheit des Gewissens
Gleichzeitig verteidigte Ellen White vehement die Gewissensfreiheit des Einzelnen als ein von Gott gegebenes Recht, das keine menschliche Institution, auch nicht die Kirche, verletzen darf.
* **Keine menschliche Kontrolle:** "Gott hat nie gewollt, dass ein menschlicher Geist unter der vollständigen Kontrolle eines anderen steht." (
3T 134.1). Und weiter: "Niemand sollte zustimmen, eine bloße Maschine zu sein, die vom Verstand eines anderen Menschen gesteuert wird. ... Steht in eurer von Gott gegebenen Persönlichkeit. Seid keines anderen Menschen Schatten." (
MH 498.5).
* **Gewissen über Mehrheit:** In einem Zitat, das sie zustimmend verwendete, heißt es unmissverständlich: "In Gewissensfragen hat die Mehrheit keine Macht." (
GC 201.1). Dies ist ein grundlegendes protestantisches Prinzip.
* **Beziehung zu Gott ist übergeordnet:** "Die Verfasser der Verfassung erkannten das ewige Prinzip an, dass die Beziehung des Menschen zu seinem Gott über der menschlichen Gesetzgebung steht und sein Gewissensrecht unveräußerlich ist." (
GC 295.3).
### Synthese: Wie passt das zusammen?
Die Frage ist also nicht, *ob* die Generalkonferenz Autorität hat, sondern *in welchem Bereich*.
1. **Bereich der kirchlichen Ordnung:** In Fragen der Organisation, der Missionsstrategie, der Finanzen und der allgemeinen kirchlichen Ordnung hat die Generalkonferenz die höchste Autorität. Hier gilt der Grundsatz, persönliche Meinungen um der Einheit und des Fortschritts des Werkes willen zurückzustellen.
2. **Bereich des persönlichen Gewissens:** Wenn eine Entscheidung der Generalkonferenz einen Gläubigen zwingen würde, gegen ein klares Gebot der Heiligen Schrift oder eine tief verwurzelte, biblisch begründete Überzeugung zu handeln, hat das persönliche Gewissen Vorrang. Keine kirchliche Autorität kann sich zwischen die Seele und Gott stellen.
**Müssen Sie also gegen Ihr Gewissen handeln?**
Ellen White würde sagen: **Nein.** Aber sie würde auch zur Vorsicht mahnen. Das "Gewissen" darf keine Ausrede für eigensinnige Unabhängigkeit oder persönliche Vorlieben sein. Es muss ein durch das Wort Gottes und den Heiligen Geist erleuchtetes Gewissen sein.
**Zusammenfassende Prinzipien:**
* **Demut:** Prüfen Sie Ihr eigenes Urteil sorgfältig und seien Sie bereit, von der Weisheit der versammelten Gemeinde zu lernen.
* **Gebet und Studium:** Gründen Sie Ihre Überzeugungen fest auf die Bibel, nicht nur auf Gefühle oder persönliche Meinungen.
* **Einheit:** Suchen Sie die Einheit und arbeiten Sie mit der Gemeinde zusammen, wo immer es möglich ist, ohne Prinzipien zu verletzen.
* **Unterscheidung:** Fragen Sie sich: Handelt es sich um eine Frage der kirchlichen Ordnung oder um eine moralische Frage, die mein Verhältnis zu Gott direkt betrifft?
Letztendlich ist die höchste Autorität für den Gläubigen das Wort Gottes. Die Generalkonferenz ist die höchste von Gott eingesetzte Autorität *auf Erden*, um dieses Wort auszulegen und anzuwenden, aber sie steht nicht über dem Wort selbst. Wenn ein Konflikt entsteht, ist Ihre erste Pflicht Gott und seinem offenbarten Willen gegenüber.